Brief an meine Tochter

du bist noch so klein und musst trotzdem ganz oft die große Schwester sein. Als dein Papa und ich entschieden hatten, dass du nicht alleine groß werden solltest, warst du gerade 1 Jahr alt. Zu klein um mit zu reden und doch warst du groß genug, dass du ein Stimmrecht hättest haben sollen. Wir haben es einfach über deinen Kopf hinweg entschieden, ohne jemals einen Gedanken daran zu verschwenden, dass es vielleicht nicht immer leicht für dich werden würde. Natürlich hatte ich im ersten Moment nicht mit Zwillingen gerechnet und nicht gedacht, dass sich unser Wunsch so schnell erfüllen würde.  Damals hatte ich den Gedanken, dass ihr euch immer lieben würdet. Ich habe dich und mich mit deinem kleinen Geschwisterchen im Tragetuch über den Spielplatz hüpfen sehen. Ich habe gesehen, wie ihr beide Hand in Hand durch den Park lauft. Wie du ihm das laufen beibringst und es sanft in unserem Bett mit mir in den Schlaf wiegst. Ich habe es nicht nur gesehen, ich habe es gefühlt. Diese Wärme und Liebe, ich konnte sie spüren. Das Band welches ich zwischen euch knüpfen wollte, sollte stärker sein, als alles Schlechte in dieser Welt. Heute weiß ich, wie schwer es oft für dich ist. Das tut mir leid.

Es tut mir leid, wenn wir wieder nicht auf den Spielplatz gehen können, weil deine Schwestern krank sind. Es tut mir leid, dass du manchmal warten musst, mit deinen Gedanken, deinen Sorgen und Wünschen. Es zerreißt mir das Herz, dass ich nicht immer für dich da sein kann. Das du eben nicht jeden Augenblick die Nummer 1 sein kannst, obwohl du es verdient hättest. Ich entschuldige mich für jeden verpassten Kuss, jede Umarmung, die ich nicht mitbekommen habe. Die du eben jemand anderem gegeben hast. Ich weiß, dass es für dich wahrscheinlich keine so große Rolle spielt, da du ja neben mir noch andere Vertrauenspersonen hast. Aber mein Herz bricht. Du bist so klein und wurdest einfach Groß gemacht. Deine unbeschwerte Kindheit, dass was du dein ganzes Leben lang kanntest, war ganz plötzlich vorbei. Einfach so. Ohne das du es verstanden hättest.

 

Ich staune jeden Tag darüber, wie gut du dich in die Rolle zu fügen scheinst, wie sehr du das Spiel mitspielst, obwohl du alles Recht der Welt hättest die Wände hoch zu gehen vor lauter Wut und Enttäuschung. Ich bin so stolz auf dich. Stolz darauf, dass du deine Geschwister liebst. Ihnen eben doch das laufen mit bei bringst. Nach einer durchgemachten Nacht schon fast Verständnis zeigst, für mich, deinen Vater, die Erschöpfung und die Ohnmacht, die wir manchmal spüren. Ich bewundere dich für dein Wesen, dein Lachen und die Liebe, die du gibst. Obwohl du die Liebe, die dir gegeben wird, durch 3 teilen musst. Ich verneige mich vor dir. Ganz ehrlich. Und mit vollstem Respekt. Du zeigst damit mehr Größe, als viele Erwachsene, und das obwohl du nicht einmal eine Mitspracherecht hattest. Ich glaube. . . ich hoffe das du mir in ein paar Jahren dankbar sein wirst. Dankbar für deine Spielkameradinnen, dankbar für den Zusammenhalt und die Liebe. Ich kann einfach nur hoffen, dass das Band, welches ihr zwischen euch knüpft, euch immer wissen lässt, dass ihr nicht alleine seid. Das es sich gelohnt hat manchmal zurückzustecken und du  viel mehr dafür zurück bekommen hast als du geben müsstest. Mehr als du dir gewünscht hast. Mehr als du brauchst.  

 

Du bist mein Superheld und in vielen Momenten wäre ich gerne so wie du. Vergiss das niemals. 

 

deine Mama