Liebe Mama

Liebe Mama,

ich weiß, du bist müde. So unglaublich müde. Und trotzdem lächelst du. Du lächelst deine Kinder an, Tag für Tag. Tröstest sie liebevoll, wenn sie fallen und freust dich mit ihnen trotzdem über jede noch so kleine Pusteblume. Du lächelst andere Mütter, deinen Partner und deine Freunde an, obwohl du ganz oft weinen möchtest. Obwohl du keine Energie mehr hast, dir die 28 Ameise auf 2 Metern Weg anzuschauen. Obwohl dir der Rücken und die Knie wehtun. Und trotzdem machst du weiter Tag für Tag.

Ich weiß, du fühlst dich leer.

Weil du ihnen jeden Tag all deine Liebe gibst, obwohl du diese selber gut gebrauchen könntest. Weil du lächeln musst. Weil du zum 18 Mal den Saft vom Fußboden gewischt hast. Weil sie wieder Mal eine Phase haben und nicht schlafen oder essen wollen. Weil die Spaghetti zum 100 Mal in deinen Haaren landen, statt in ihrem Mund. Weil sie sich wieder einmal vor lauter Wut auf dem Boden geschmissen haben, ohne erkennbaren Grund. Obwohl du gedacht hast heute würde ein guter Tag werden. Wie jeden Morgen. 

Ich weiß, du fühlst dich klein.

Weil es doch augenscheinlich alle viel besser schaffen. Weil die anderen Mütter so unglaublich entspannt wirken und keine Babykotze auf der ungebügelten Bluse haben. Weil sie es schaffen ihre Kinder ohne Zucker zu ernähren und es bei ihnen nicht wieder einmal Joghurt zum Mittag gibt. Weil sie nicht vergessen haben das Pausenbrot fertig zu machen oder die Sportsachen zu waschen.  Weil sie ihre Kinder nicht anschreien. Oder Abends vor lauter Scham alleine weinend auf dem Boden liegen. 

Ich weiß, du fühlst dich manchmal alleine.

Obwohl dein Haus so voller Leben ist. Obwohl du umgeben bist von so viel Liebe. Und ich weiß, du würdest manchmal alles dafür geben nur einmal ausbrechen zu dürfen. Nicht mehr "du" zu sein. Einfach Mal zu tun was du willst. Ich weiß, du siehst die Bilder deiner Freunde vom Urlaub, hörst die Geschichten der wilden Partynacht oder bekommst die - sorry wir haben noch geschlafen- Nachricht Sonntags um 11. Zu der Zeit bist du schon 6 Stunden wach. Ob du willst oder nicht. Und eigentlich wolltest du nicht.

Ich weiß, du fühlst dich manchmal zerissen.

Von all dem Druck der auf deinen Schultern lastet. den Bedürfnissen der Kinder, deines Mannes, deiner Freunde und der anderen Mütter. Von den Konventionen die du dir selber auferlegt hast. Oder auflegen hast lassen. Und obwohl du um 22 Uhr gerne auf der Couch liegen würdest, sitzt du trotzdem da und nähst das Loch in Ihrem Lieblingsshirt.

Ich weiß, du hast wegen all dieser Gedanken ein schlechtes Gewissen.

Es plagt dich Tag für Tag, Stunde um Stunde. Weil du alles hast, was du wolltest und es dir trotzdem nicht so vorgestellt hast. Weil du niemals dachtest, dass es dich so an deine Grenzen bringen könnte. Weil du sie liebst, es aber trotzdem manchmal nicht ertragen kannst. Weil sie gesund sind. Weil du gesund bist. Weil andere noch mehr Kinder haben. Weil andere solche Gedanken wohl nicht haben. 

Liebe Mama, ich weiß das, weil ich mich manchmal genauso fühle.

Weil ich manchmal Angst habe. Weil ich ein Mensch bin. Genauso wie du. Ein Mensch. Keine Maschine. Kein Roboter. Eine reale Person. Mit Gefühlen. Mit Sehnsüchten und Bedürfnissen. Mit dem Drang nach Liebe und Leben. Und deswegen darfst du manchmal so fühlen, gerade weil du sie liebst. Weil sie dich in den kostbaren, wichtigen Momenten so unglaublich glücklich machen, dass du vor lachen weinen musst. Weil sie dich jeden Tag so stolz machen, dass du der ganzen Welt erzählen willst, wie wunderbar sie sind. Weil dein Herz im Takt ihrer kleinen Stimmen schlägt, wenn sie falsch, laut und mit voller Liebe darüber singen wie toll du bist.  Weil sie dich lieben. tag für Tag. Obwohl du ein Mensch bist.  

Und wenn wir uns beide so fühlen, vielleicht, ganz vielleicht gibt es noch mehr Menschen die sich so fühlen. Und wenn wir vielleicht ein bisschen ehrlicher sind, zu uns, zu den anderen Müttern und alle zusammen halten, könnte daraus etwas ganz großes werden. Eine Gemeinschaft die zusammenhält, zusammen weint und zusammen lacht. Einfach so. Wie Menschen.